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Konsekutiv Dolmetschen - Was ist das eigentlich?

  • Autorenbild: Lisa Wegmann
    Lisa Wegmann
  • 3. Sep. 2024
  • 6 Min. Lesezeit

Eine kurze Beschreibung zum Thema Konsekutiv Dolmetschen können Sie auch auf der Seite Dienstleistungen lesen. Trotzdem möchte ich auch in diesem Blog nocheinmal darauf eingehen. Was genau ist konsekutives Dolmetschen und wie funktioniert es?

 

Wie auf der Dienstleistungsseite gesagt wird, bedeutet konsekutiv so etwas wie nacheinander. Es wird also nicht gleichzeitig gesprochen und gedolmetscht, sondern erst gesprochen, dann gedolmetscht. Während der Sprecher redet – ob es sich um eine Ansprache handelt, oder eine Interviewfrage spielt keine Rolle – hört die Dolmetscherin aufmerksam zu und macht sich Notizen. Wenn der Sprecher fertig ist, nutzt sie die Notizen, um das Gesagte in der anderen Sprache wiederzugeben.

Klingt an sich nicht superspannend. Man schreibt mit und liest dann vor. Na und? Aber genau das ist eben nicht was die Dolmetscherin tut. Wenn jemand in normaler Geschwindigkeit spricht (oder eventuell etwas langsamer als normal, weil ja die Dolmetscherin da ist), dann bleibt nicht genug Zeit jedes Wort zu notieren. Am Ende formen die Notizen also keinen Text, den man vorlesen könnte, sondern bestehen aus einzelnen Worten, Abkürzungen und Symbolen, die die Dolmetscherin an das Gesagte erinnern sollen.

 

Was konsekutives Dolmetschen so herausfordernd macht, ist die Tatsache, dass man wirklich zuhören und sich wirklich erinnern muss. Jede*r Dolmetscher*in muss ein Gefühl dafür entwickeln welche Sorte Information sowieso im eigenen Kopf hängen bleibt, und, was man sich um’s Verrecken nie merken kann. Je mehr konsekutiv gedolmetscht wird, desto mehr lernt man sich mehr zu merken, aber man lernt auch sich selbst besser kennen. Was muss ich sowieso immer aufschreiben? Solche Sachen.

 

Was konsekutives Dolmetschen interessant macht, ist die Tatsache, dass keine zwei Dolmetscher*innen ihre Notizen auf die gleiche Art und Weise schreiben. Selbst, wenn sie von den gleichen Personen gelernt haben. Er merkt sich dies besser, sie sich das. So ist das nunmal. Und wir denken auch alle verschieden. Wahrscheinlich haben Sie schon einmal vom Visual Learner gehört. Oder vom Auditroy Learner. Diese Begriffe beziehen sich auf die Art und Weise, auf die neue Information am besten gelernt und gespeichert wird. Einige Personen müssen dafür Graphen, Diagramme oder Bilder sehen (visual learner), andere müssen die Infos hören (auditory learner ). Es gibt auch Menschen, die am besten lernen, wenn sie selbst Dinge aufschreiben, oder sie lesen (read/write learner) und dann gibt es echte Learner-by-doing(kinesthetic learner), die neue Informationen mehr oder weniger am eigenen Leib erfahren müssen. Die meisten von uns sind wahrscheinlich eine ganz individuelle Mischung dieser verschiedenen Vorlieben.

Der Punkt ist, dass die Notizen von Dolmetscher*innen abhängig von der Art und Weise sind, wie sie Informationen am liebsten wahrnehmen und wie sie sie verarbeiten.

In meinem Studiengang Dolmetschen waren wir 11 Frauen. Wir haben all das Buch Note-taking for consecutive interpreting von Andrew Gillies gelesen und wurden in Bezug auf das notieren alle von der gleichen Dozentin unterwiesen. Nichts desto trotz haben wir alle unsere eigenen, individuellen Systemen zum Notieren entwickelt. Wenn Sie die Übungszettel zweier Kommilitoninnen, die die gleiche Rede notiert haben, nebeneinander legten, würden Ihnen hier und da die gleichen Wörter begegnen, aber ich bezweifle, dass Sie überzeugt gewesen wären zwei Protokolle des gleichen Texts vor sich zu sehen.

Ich selbst benutze am liebsten Stichwörter in Kombination mit Pfeilen. 95% meiner Notizen bestehen aus einzelnen Worten und Pfeilen. Nach vorn, nach hinten, nach oben, nach unten, wohin auch immer. Ich weiß, dass ich mir merken kann, was ein Pfeil im Kontext seiner Stichworte bedeutet. Manchmal heißt -> dann „führt zu“, manchmal, „und dann“ und wieder andere Male „also“.

Es gibt auch Dolmetscher*innen, die für jeden dieser Umstände oder Formulierungen ein eigenes Symbol haben und benutzen, sodass sie nicht darüber nachdenken müssen, was dieses Symbol in diesem Kontext noch gleich bedeuten sollte. Ein solches System habe ich während des Studiums ausprobiert und festgestellt, dass es mich weitaus mehr stresst mir die verschiedenen Symbole zu merken, als die spezielle Bedeutung eines Pfeils.

Wenn ich hier “Symbol” schreibe, meine ich übrigens genau das. Ein Symbol. Eine Art Zeichnung. Vor allem kein Wort. Oft sind die Worte für den gleichen Gegenstand oder das gleiche Konzept in den zwei Sprachen, in den der*die Dolmetscherin arbeitet völlig verschieden. Das bedeutet, dass es keinen Sinn hätte das Wort selbst, oder eine Abkürzung, in der einen Sprache zu notieren, weil es dann in der anderen übersetzt werden muss. Das kann zum Stocken führen. Ein Symbol ist da viel schöner. Es funktioniert im Prinzip so, wie internationale Verkehrsschilder.

Ein rundes, rotes Schild mit einem weißen Balken bedeutet, dass sie nicht in diese Straße fahren dürfen. Wie der Fachbegriff für dieses Verbot in Ihrer Muttersprache, oder der Ihres Urlaubslandes, lautet ist eigentlich egal. Sie wissen was das Schild von Ihnen will. Und darum geht es.

Welches Symbol ein*e Dolmetscher*in für welches Wort oder Konzept benutzt, ist völlig ihm*ihr selbst überlassen. Einige Symbole werden von fast allen Dolmetscher*innen gleich benutzt, aber es gibt tausende von Symbolen die vollständig individuell und nur von einer einzigen Person genauso genutzt werden. Beim Finden dieser Symbole spielen oft auch der kulturelle Hintergrund, des*der Dolmetscher*in eine Rolle, ebenso die Arbeitssprachen und wo oder wie das Notieren gelernt worden ist.

 

Was ich vom Studium vor allem im Kopf behalten habe ist:

Zahlen immer direkt notieren (Du kannst Dir 6.742,159€ nicht merken!)

·       Namen immer notieren

·       Namen immer in Großbuchstaben notieren

·       Namen lieber phonetisch notieren, als richtig geschrieben. Es geht darum den Namen korrekt auszusprechen, Du musst ihn nicht schreiben können.

 

Außerdem schreiben Dolmetscher*innen ihre Notizen normalerweise von oben links nach unten rechts. Diese Technik wird auch diagonalisieren genannt. Dabei wird die Botschaft in ihre wichtigsten Bestandteile zerlegt und die werden notiert.

 

WW

                             Dolm

                                                          D<>NL

                                                                                      Website -> Blog -> Konsek

 

Die obenstehende Notiz könnte für die folgende Botschaft gemacht worden sein:

 

WoordenWechsel ist ein ein-Frau-Unternehmen, das Dolmetscherdienstleistungen in den Sprachen Deutsch und Niederländisch anbietet. Auf der Unternehmenswebsite ist ein Blog zu finden, in dem in verschiedenen Posts Dolmetschen und die zugehörige Terminologie erklärt werden. Es gibt auch einen Post zum Konsekutiv Dolmetschen.

 

Wahrscheinlich fällt auf, dass ich bereits mehrfach das Wort Botschaft benutzt habe, statt Satz. Das liegt daran, dass man beim Konsekutiv Dolmetschen nicht Wort für Wort oder Satz für Satz dolmetscht, sondern Idee für Idee oder eben Botschaft für Botschaft. Der*die Dolmetscher*in hört aufmerksam zu und analysiert das Gesagte. Was sagt der*die Sprecher*in wirklich? Was soll ausgedrückt werden? Diese Botschaft wird dann gedolmetscht. Die obenstehende Notiz könnte also auch wie folgt gedolmetscht werden.

 

WoordenWechsel ist ein Dolmetschunternehmen, das Leistungen in den Sprachen Deutsch-Niederländisch anbietet. Im Blog der WoordenWechsel Website können Sie unter anderem nachlesen, was es mit dem Konsekutiv Dolmetschen auf sich hat.  


Dies ist eine kürzere Version des “Originals”. Die Essenz beider Versionen ist aber die gleiche. Der Name des Unternehmens, die Sprachkombinationen und die Tatsache, dass die Dolmetschterminologie auf der Website besprochen wird, sind alle in beiden Versionen aufgenommen. Dies sind die wichtigsten Details. Dies ist die Botschaft. Auch das gehört zur Kunst des Konsekutiv Dolmetschens.  Natürlich müssen alle wichtigen Details benannt werden, aber es gibt keinen Grund jedes Stotter, Stocken oder „Ähm“ zu notieren oder dolmetschen. Die Faustregel ist, dass der*die Dolmetscher*in maximal so lange spricht wie der*die Sprecher*in. Lieber weniger lang. Das spart auch Zeit. Und wir wissen alle, dass Zeit Geld ist.

 

Es gibt übrigens auch Dolmetscher*innen, die überhaupt nicht mitschreiben, wenn sie konsekutiv dolmetschen. Sie merken sich einfach alles. Oder sie zeichnen, während die Sprecher reden. Wenn sie dann dolmetschen müssen, lassen sie den Blick über ihre Zeichnung wandern und erinnern sich daran was gesagt wurde, als sie diese Eule zeichneten, oder jenen Stuhl. Das ist natürlich auch fast eine Superkraft! Von mir können Sie so etwas aber leider nicht erwarten.

 

Oft wird dann zum konsekutiven Dolmetschen gegriffen, wenn vorab bekannt ist, dass nicht lange gesprochen werden wird, oder wenn es um nur kleine Gruppen geht. Das Equipment, das für’s Simultandolmetschen benötigt wird, ist teuer und es lohnt sich nicht immer diese Kosten zu tragen, wenn es um ein Gespräch von 20 Minuten geht, oder um ein Interview zwischen lediglich zwei Personen. Theoretisch könnte man zum Flüsterdolmetschen greifen, aber es gibt viele Menschen, die sich daran stören und den Faden verlieren. Außerdem kann es sehr anstrengend für Dolmetscher*in und Zuhörer*in sein. Oft ist es am einfachsten auf Stift und Papier zurückzugreifen und die extra Zeit zu akzeptieren.

Außerdem wird fast immer Konsekutiv gedolmetscht, wenn telefoniert wird. Organisationen, wie die Einwanderungsbehörde, Polizei oder Krankenhäuser sehen sich regelmäßig mit der Situation konfrontiert, dass sie sich in Ausübung ihrer Pflichten mit Menschen beschäftigen und auseinandersetzen müssen, die der Amtssprachen nicht mächtig sind. Da es absolut unmöglich wäre überall einen Dolmetscher*innenstab einzurichten, gibt es Telefonnummern, die diese Organisationen wählen können, die sie dann direkt an eine*n Dolmetscher*in weiterleitet, der*die die beiden notwendigen Sprachen beherrscht. Es wird zu späterem Zeitpunkt noch einen ausführlichen Post zum Telefondolmetschen geben.

 

Diesen beenden wir in dem Wissen, dass Konsekutiv Dolmetschen nicht nur aus zuhören, schreiben, übersetzen und sprechen besteht, sondern auch aus analysieren, erinnern und reproduzieren. Ach, ein herrlicher Beruf, den ich da habe!




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