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Englisch als Arbeitssprache - Wie kam es dazu?

  • Autorenbild: Lisa Wegmann
    Lisa Wegmann
  • 13. Aug. 2024
  • 6 Min. Lesezeit

Im letzten Post in dieser Serie ging es um meine Liebe zu den Niederlanden und warum ich mich dazu entschieden habe Niederländisch zu lernen und zu einer meiner Arbeitssprachen zu machen. Aber ich biete auch Dolmetscherdienste in der Kombination Deutsch<>Englisch an. Wie komme ich dazu?

 

Ich denke nicht, dass es nötig ist großartig über meine Muttersprache zu sprechen. Die ist nun einmal meine Muttersprache. Und im Allgemeinen gilt, dass ein*e Dolmetscher*in nicht mit zwei Fremdsprachen arbeitet, sondern immer mit der eigenen Muttersprache. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen zu dieser Regel, aber mit denen wollen wir uns nicht heute beschäftigen. Heute möchte ich etwas näher auf die englische Sprache eingehen und versuchen zu erklären, warum ich auch mit ihr arbeite.

 

Die kürzeste Version dieses Posts ist wahrscheinlich: Wir mussten alle in der Schule Englisch lernen.Generell stimmt das natürlich, aber ich habe in der Schule auch 6 Jahre lang Französisch gelernt und 3 Jahre Spanisch. Allerdings stehen diese Sprachen nirgends auf der Website. Es muss also doch noch etwas mehr dahinter stecken. Und das tut es auch.

 

Als ich mit 9 Jahren mein Halbjahreszeugnis mit der Gymnasialempfehlung mit nach Hause brachte, beschlossen meine Eltern, mir erst einmal ihre beiden früheren Schulen vorzuschlagen und zu schauen, was passiert. Also besuchte ich in Münster die Tage der offenen Tür des Hittorf-Gymnasiums und der Marienschule. Obwohl mein Vater einen wundervolle Führung durch die Schule am Wasserturm leitete und mir Geschichten aus seiner Schulzeit erzählte, wollte ich letzten Endes lieber in die Fußstapfen meiner Mutter treten. Ich entschied mich (zusammen mit einer Menge meiner Freundinnen) für die Marienschule. Wenn ich ehrlich bin, trafen wir diese Entscheidung vor allem, weil die Marienschule eine Mädchenschule ist und wir neun waren. Eine Schule ganz ohne Jungs schien uns der Himmel auf Erden. Etwa 4-5 Jahre später waren die meisten von uns sich nicht mehr so sicher, was uns eigentlich geritten hatte, aber mit zarten 9 Jahren schien es keine bessere Möglichkeit zu geben.

 

Neben der Tatsache, dass die Marienschule ausschließlich Schülerinnen annahm, bot (und bietet) sie auch ein sogenanntes bilinguales Abitur an. Schülerinnen, die sich für das bilinguale Abi entschieden, begonnen bereits in der fünften Klasse mit den Vorbereitungen. Frau musste also schon früh ein paar wichtige Aspekte gut abwägen.Bilingual bedeutet nichts anderes als zweisprachig. Es ging demnach um ein zweisprachiges Abitur. Allerdings nicht in jeder x-beliebigen Sprachkombination, sondern explizit Deutsch-Englisch. Zweisprachig heißt dann nicht, dass man im Abi auch in Englisch geprüft wird. Nein, es geht um einen erweiterten Spracherwerb. Normalerweise werden alle Schulfächer auf Deutsch unterrichtet, mit Ausnahme der Fremdsprachen Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch (soweit ich weiß wird im Latein Unterricht Deutsch gesprochen). Wer sich für das bilinguale Abi entscheidet, weicht von dieser Norm ab. Im Laufe der 8-9 Jahre Schule werden verschiedene Fächer auf Englisch gegeben, statt auf Deutsch.

 

Wie bereits erwähnt, beginnen die Vorbereitungen in der fünften Klasse. Während der ersten zwei Jahre auf der weiterführenden Schule kam ich in den Genuss von 5 wöchentlichen Englischstunden, statt der gängigen 3. Das sind pro Woche zwei Stunden mehr, die mir vor allem als Doppelstunden in Erinnerung geblieben sind. Freitags, dritte und vierte Stunde Englisch: Fun times. In dieser Zeit wurden Spiele gespielt und gebastelt, durften wir kurze Videos auf Englisch schauen oder hörten Musik und probierten die Texte zu übersetzen. Mehr Englisch auf eine spielerische Art und Weise.

Der Grund, aus dem die bilingualen Klassen (in meinem Jahrgang gab es 2 davon und 2 reguläre) mehr Englischunterricht erhielten, als ihre Mitschülerinnen war der, dass ab der siebten Klasse der Biologieunterricht in englischer Sprache stattfand. Keine Käfer, sondern beetles, keine Knochen, sondern bones, keine Hefte, sondern notebooks oder notepads.

 

Wir übersetzten das erste Kapitel des sechsten Harry Potter Buches also nicht nur zum Spaß – obwohl es sich definitiv genauso anfühlte, da das Englische Original zweieinhalb Monate vor der deutschen Version erschien. Ich erinnere mich lebhaft daran, wie aufgeregt wir irgendwann zu Beginn der sechsten Klasse waren, weil wir die ersten Seiten des neuen Buchs vor allen anderen kennen würden. Die Übersetzung wurde mehr zu einer persönlichen Mission, als zu einer Hausaufgabe.

Es sei hier erwähnt, dass ich 1994 geboren wurde und somit 4 war als der erste Harry Potter Band in Deutschland erschien. Ich fing damit an die Bücher zu lesen, als der erste Film in die deutschen Kinos kam. Meine Mutter witterte ihre Chance das Kind zum Lesen zu bewegen und stellte die Bedingung, dass ich den Film erst sehen dürfe, wenn ich das Buch gelesen hatte. Da ich 2001 6/7 war, einigten wir uns darauf, dass sie mir vorlesen würde.

Nach dem ersten Buch folgte das zweite und dann der erste Film. Wie viele Kinder in meinem Alter begeisterte mich die magische Welt und wurde ein großer Teil meiner Kindheit und Jugend. Zu Beginn der achten Klasse machten wir eine Reise nach Oxford und London und stürmten dort mit 60 14-Jährigen den ersten Buchladen, den wir fanden, da der siebte und letzte Teil der Buchreihe gerade in Groß-Britannien veröffentlicht worden war, aber noch nicht in Deutschland. Dies nur zur Illustration, wie genial mein damaliger Englischlehrer war, als er sich die Hausaufgaben für den Schuljahresbeginn ausdachte.

 

Die Spaßstunden am Freitag warfen dann in der siebten Klasse Früchte ab, als wir auf einmal nicht nur neue biologische Fakten lernen mussten, sondern auch noch Vokabeln. Bis heute gibt es bestimmte biologische Vorgänge, die ich gänzlich verstehe und erklären kann – aber nur auf Englisch. Da auch die Tests und Klassenarbeiten auf Englisch geschrieben wurden, verzichtete ich irgendwann darauf mir die deutsche Bedeutung der Fachbegriffe einzuprägen. Meiner Meinung nach hatte dies keinen Sinn, da ich sämtliche Worte immer nur auf Englisch benutzen würde.Diese Strategie sparte Zeit und wurde auch in der achten Klasse für Erdkunde und in der neunten für Politik eingesetzt. Ab der elften Klasse wurde dann auch der Geschichtsunterricht auf Englisch gegeben. Es ging, zumindest meiner Einschätzung und Erinnerung nach, immer mehr um den Spracherwerb, den Einsatz der Sprache, das Hör- und Leseverstehen in zunehmend komplexeren Sachverhalten, nicht zwangsläufig um das Lernen von Vokabeln oder Grammatik. Natürlich wurden Fehler immer auch notiert und gab es in Klassenarbeiten oder Klausuren Punktabzüge, aber ich hatte immer den Eindruck, dass unsere Lehrer uns vor allem die Hemmung zu sprechen nehmen wollten. Die eben erwähnte Klassenfahrt nach England hatte das gleiche Ziel. Statt in einem Hotel oder einer Jugendherberge, verbrachten wir 5 Tage und 4 Nächte in Gastfamilien. Zu zweit, zu dritt oder zu viert, zogen wir für eine kurze Woche bei einer britischen Familie ein. In und um Oxford. Die Dame, bei der ich mit einer guten Freundin wohnte hieß Margaret, war 71 und hatte das gesamte Haus mit  Kühen jeder Form, Größe und Farbe dekoriert. Sie lebte allein und sprach kein Wort Deutsch. Wir mussten uns mit ihr auf Englisch unterhalten. Nicht nur, weil sie für uns kochte und wissen wollte, ob wir Allergien hatten, aber auch weil sie uns morgens zum Bus brachte und wir beide leidenschaftliche Quasselstrippen waren (und sind). Von Margaret lernte ich wie echte Engländerinnen Tee trinken und was Sweetcorn ist (Mais). Wir schrieben ihr noch bis zur Oberstufe Weihnachtskarten.

 

Um aber auf das bilinguale Abitur zurück zu kommen: In der zwölften Klasse, ging es daran sich mit Abiturfächern auseinander zu setzen. Ich entschied mich für die Leistungskurse Englisch und Französisch, und die Grundkurse Biologie Bilingual und Geschichte Bilingual. Obwohl die Vorgaben für das Wählen der Abifächer vorsahen, dass mindestens eine Sprache, eine Naturwissenschaft und eine Sozialwissenschaft gewählt werden mussten, hatte ich das Gefühl eigentlich nur in Fremdsprachen geprüft zu werden.

 

In den acht Jahren, die ich an der Marienschule Schülerin war, lernte ich 8 Jahre Englisch, 6 Jahre Bio auf Englisch, 2 Jahre Erdkunde auf Englisch, 1 Jahr Politik auf Englisch und 3 Jahre Geschichte auf Englisch. Danach entschied ich mich zu einem Studium in den Niederlanden (dazu ein anderes Mal mehr), wo fremdsprachige Serien und Filme nicht nachsynchronisiert werden, sondern untertitelt. Englisch. Überall Englisch. Die verschiedensten Dialekte und Akzente zu jeder erdenklichen Tages- und Nachtzeit. Selbst wenn ich aktiv versucht hätte, die Sprache zu verlernen wäre es mir nicht gelungen. Und das, obwohl ich eine neue Fremdsprache lernte.

Der Grund, aus dem ich auch in der Sprachenkombination Deutsch<>Englisch dolmetsche, ist der, dass ich nur die ersten zehn Jahre meines Lebens kein Englisch sprach und ich die Sprache nur immer weiter zu lieben lerne. Der Grundstein für diese Liebe wurde durch das Versprechen des Bilingualen Abiturs gelegt, obwohl der Harry-Potter-Hype sicherlich auch mitverantwortlich war.

 

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